Das Momentum spricht für sie
„Mit meinem etwas eigenen Textstil möchte ich erreichen, dass man genau hinhört und sich von den Songtexten auch mal überraschen lässt.“
„Mit den Jahren habe ich festgestellt, dass die Heimat ein bisschen in mir ist.“
Text: Dennis Ebbecke
Foto: Jaeger
Im Rheinland aufgewachsen, auf der Bühne und im Tonstudio zu Hause. Ines-Marie Jaeger, die sich aufgrund der Ähnlichkeit zu der legendären britischen Prinzessin im hossa!-Interview augenzwinkernd als die „Lady Di unter den Sängerinnen“ bezeichnet, deckt die gesamte künstlerische Bandbreite ab. Ob Gesang, Tanz oder Bühne & Schauspiel: Die vielseitig talentierte Kölnerin hat sich früh ihren amerikanischen Traum erfüllt und bereichert heute die deutschsprachige Musiklandschaft. Das Momentum liegt getreu des Titels ihres aktuellen Albums ganz klar bei Ines-Marie Jaeger.
Liebe Ines-Marie Jaeger, wie ich erfahren habe, ist dieses Interview mit unserem Magazin nicht Ihre erste Begegnung mit hossa! Bitte klären Sie uns auf …
Das stimmt. Sie spielen vermutlich auf die Schlager-Revue Hossa an!? Ich komme ja ursprünglich aus dem Theater und dem Musical. In meiner Laufbahn habe ich an verschiedenen Produktionen mitgewirkt, darunter West Side Story oder Grease. Und so hat es sich ergeben, dass ich eines Tages in Hossa die Rolle des Schlagersternchens Susi übernommen habe.
Der Unterschied zwischen Susi und Ines-Marie ist, dass Ihre musikalische Bandbreite größer ist als die eines klassischen „Schlagersternchens“. Wie vielseitig talentiert sind Sie?
Die musikalische Ausbildung war mein Ausgangspunkt, mit dem ich mir sozusagen einen amerikanischen Traum erfüllt habe. So wie die aktuellen Broadway-Stars habe ich lange Zeit versucht, alle drei Spaten parallel zu bedienen. Dass sich mein Schwerpunkt in den vergangenen Jahren mehr in Richtung Musik verlagert hat, ist gewissen Lebensumständen geschuldet. Als Musikerin kann ich heute selbstbestimmter arbeiten, was das Songwriting, die Produktion und die Arbeit im Tonstudio angeht. Ich bin nicht mehr auf das Timing anderer Menschen oder auf eine feste Theaterproduktion angewiesen, die einen dann wirklich bindet.
Sie haben eben keine Zeit zu verschwenden. Darauf haben Sie bereits 2014 mit dem Titel Ihres Debütalbums als Solokünstlerin hingewiesen …
Es ist Wahnsinn, wie die Zeit vergeht. Genau, mein Debütalbum Keine Zeit verschwenden feiert in diesem Sommer zehnjähriges Jubiläum. Für mich war das der Auftakt als Interpretin im Bereich „Popmusik konservativ“, wie ich das Genre bezeichne, in dem ich mich heute zu Hause fühle.
Vor zwei Jahren ist Ihr aktuelles Album Momentum erschienen. Hält dieses Momentum bis heute an, weil die Songs darauf größtenteils zeitlos sind?
Dem würde ich zustimmen, ja. Hinzu kommt, dass uns der Sommer 2024 mit der Fußball-EM in Deutschland und den Olympischen Spielen in Paris zwei sportliche Großevents beschert, zu dem der Bergriff „Momentum“ ziemlich gut passt. Das Wort ist in der jüngeren Vergangenheit, insbesondere durch den Fußball, in unseren Sprachgebrauch übergegangen. Ein Song auf meinem Album, nämlich Enorme Gefühle, greift das Momentum sogar im Refrain auf. Langfristig gesehen soll zu diesem Lied noch ein spezieller Mix erscheinen. Auch der Titel Flashback beschreibt einen bestimmten Moment: Es geht um den Film, der bei einem abläuft, wenn man per Zufall auf einen alten Schulfreund oder Kollegen trifft. 80 Prozent der Lyrics für dieses Album habe ich selbst geschrieben, alle Songs haben einen sehr persönlichen, authentischen Bezug.
In diesem Frühjahr wurde der Song Zeit hinter dir ausgekoppelt. Die Single kommt im leichten California-Sound daher und wird von eingängigen Pop-Gitarren getragen. Ist dieser Track viel nach vorne gerichteter als es der nach Rückblick klingende Songtitel vermuten lässt?
Mit meinen Lyrics versuche ich grundsätzlich, Menschen zu motivieren. Tatsächlich wird das, wenn man nur den jeweiligen Titel liest, nicht immer auf den ersten Blick deutlich. Mit meinem etwas eigenen Textstil möchte ich erreichen, dass man genau hinhört und sich von den Songtexten auch mal überraschen lässt. Diese motivierenden Botschaften sind sicherlich ein roter Faden, der sich durch meine Musik zieht – ohne dabei banal zu wirken. Denn ich lege schon großen Wert auf einen tiefgründigen Kern.
Diese intensive Arbeit wird anerkannt. Im vergangenen Jahr avancierten Sie mit Vision von Glück zur einzigen deutschsprachigen Finalistin des renommierten „internationalen Sanremo Senior Contests“. Ein Meilenstein Ihrer Karriere?
Sanremo war ein besonderer Moment, keine Frage. Was mir aber besonders wertig erscheint, ist die Tatsache, dass meine beiden Alben eine Auszeichnung an der Vielfältigkeit ihrer Produktionen bekommen haben. Bei diesem „Deutschen Rock & Pop Preis“, der mit seinen bestimmt 70 verschiedenen Rubriken sehr weit gefächert ist, handelt es sich um eine Produktions-Ehrung und eben nicht nur um eine Auszeichnung für meine stimmlichen Qualitäten oder für einen bestimmten Song. Für mich ist das eine große Ehre, zumal heutzutage immer weniger Künstler physische Alben produzieren. Der Trend geht zu einzelnen Single-Veröffentlichungen oder EPs.
Warum gehen Sie weiterhin den klassischen Weg?
Ich möchte einfach ein haptisches Produkt in der Hand halten. Und wenn ich mal im Fernsehen zu Interviews eingeladen werde, dann möchte ich mein schönes Booklet zeigen. Ich gebe mir da nach wie vor große Mühe. Meine Booklets enthalten sämtliche Lyrics sowie besondere Fotos. Zudem ist es mir wichtig, die an meinen Alben beteiligten Livemusiker vorzustellen – auch um zu zeigen, dass meine Musik eben nicht aus der Konserve kommt.
Sie sind gebürtige Kölnerin, haben aber auch eine Verbindung zu vielen anderen Großstädten. Ein Song Ihres Albums heißt Hamburg … bis die Sonne lacht (Elbe-Remix). Wo fühlen Sie sich heimisch?
Ich adaptiere mich schnell und kann mich gut auf eine neue Mentalität oder einen anderen Singsang einschwingen. Dieses Sprachgefühl habe ich sicherlich meinem Beruf als Schauspielerin und Musikerin zu verdanken. Vom Naturell her bin ich Rheinländerin. Allerdings lebe ich schon lange nicht mehr in Köln, sodass ich aus der Stadt im Grunde herausgewachsen bin. Seit zwei Jahren habe ich aus familiären Gründen in München, wo ich früher bereits acht Jahre am Stück verbracht hatte, wieder einen zweiten Wohnsitz. Das Bayerische ist mir keineswegs fremd. Auch Berlin habe ich sehr schätzen gelernt, weil es eine sehr aufgeschlossene Stadt ist – im Gegensatz zu Hamburg. Obwohl ich mein Herz an die Hansestadt verloren habe, hat es für mich irgendwann keinen Sinn mehr gemacht, dort zu leben.
Tatsächlich klingen Sie eher nicht wie eine Rheinländerin ...
… und wirke auch äußerlich eher wie eine kühle Blonde. Mir ist das durchaus bewusst. Nicht selten wird mir eine gewisse Ähnlichkeit zu Prinzessin Diana bescheinigt. Ich empfinde es durchaus als Kompliment, wenn ich als die „Lady Di unter den Sängerinnen“ bezeichnet werde (lacht). Aber zurück zu der Ausgangsfrage: Mit den Jahren habe ich festgestellt, dass die Heimat ein bisschen in mir ist. Insofern ist mein Album Momentum auch ein Stück weit ein Kaleidoskop der inneren Heimat, wie jemand einmal recht treffend zu mir gesagt hat.
Haben Ihnen die vielen Orte, die Sie kennenlernen durften, dabei geholfen, auch in Ihren Songs über den Tellerrand blicken zu können?
Ja. Der Titel Blaue Welt ist einer dieser Songs, die dafür stehen. Ich habe den Song geschrieben, um mich musikalisch den Themen Nachhaltigkeit und Entwicklung der Energiewende zu nähern – inspiriert von Alexander Gerst. Er war der erste Astronaut überhaupt, der das in seiner Weltraummission aufgenommen und uns via Social Media hat daran teilhaben lassen, wie unsere Erde von oben aussieht.